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März - April 2022

Anwerbung doch gefeiert

Nach langer Corona-Pause hat am 23. Februar der Wiesbadener Ibrahim Kızılgöz mit einer Verwandten den Bürgermeister unserer Partnerstadt, Ergün Turan, besucht. Kızılgöz ist Vor-sitzender des am 1. März stolze 50 Jahre alt gewordenen Wiesbadener Ausländerbeirats und inzwischen auch unser Mitglied – wir gratulieren zu beidem! Er berichtet selbst:

"Während eines kurzen Familienbesuchs in Istanbul habe ich mir am Mittwoch etwas Zeit ge-schaffen, um den Herrn Bürgermeister Mehmet Ergün Turan unserer Partnerstadt Fatih zu besuchen. Herr Turan bekleidet seit zwei Jahren das Amt des Bürgermeisters von Fatih. Zuvor gab es ein nettes Gespräch mit seinem Sekretär Mahmut Ekşi, der mich durch die im letzten Jahr eröffnete Stadtbibliothek führte. In einem Zeitungsartikel lese ich, dass auf 3.000 m² Nutzfläche 40.000 Bücher, 50 PCs und diverse Lernräume rund um die Uhr für maximal 400 Menschen angeboten werden. Für Herrn Turan sei die kostenlose Zugänglichkeit sehr wichtig, da 80% der städtischen Wohnungen nicht größer als drei Zimmer betragen und gerade junge Menschen unter diesem häuslichen Mangel an Lernplätzen leiden.

Nachdem Bürgermeister Ergün Turan und ich uns über die Bedeutung beider Städte und über Möglichkeiten bürgerlicher Mitbestimmung unterhielten, tauschten wir uns über die Städtepartnerschaft Wiesbaden-Fatih aus. Ich berichtete ihm über die digitalen Seminare der Partnerschaft über Istanbul, die trotz der schwierigen Pandemiesituation stattfinden. Herrn Turan erfreute diese Nachricht und er betonte, dass auch Fatih zu diesem Format durch Re-ferent-*innen und Themen beitragen könne. Im September erreicht die Städtepartnerschaft zwischen Istanbul-Fatih und Wiesbaden ihr 10-jähriges Jubiläum. Sowohl Herr Turan als auch Herr Ekşi freuen sich, im September anlässlich der geplanten Jubiläumsfeier in Wies-baden zu sein. Mit diesem guten Austausch verabschiedeten wir uns auf ein erneutes Wiedersehen. Vielen Dank für den herzlichen Empfang Herr Turan und Herr Ekşi!"

 

Harem und Deutsche im osmanischen Reich

Im Jahr 2022 setzen wir unsere Vortragsreihe "Fatih goes online" mit einem stärkeren Bezug

zu den Menschen in Istanbul fort. Im Januar präsentierte Historiker Dogan Yalcin das Leben

im innersten Kreis des osmanischen Sultans. Die Vorstellung von Schönheit und Exotik im

Harem übte schon seit Jahrhunderten große Faszination auf die westliche Welt aus. Doch

war nur wenig bekannt über den Harem in Fatih als Machtzentrum. Der Vortrag im Februar

widmete sich Deutschen im osmanischen Reich. Yalcin berichtete über Reisen deutscher

Diplomaten nach Istanbul, die oft nach Jerusalem weitergingen. Nach dem Sieg Deutschlands 1871 über Frankreich stieg das Ansehen Deutschlands und die Türkei intensivierte ihre Kontakte auch auf den Feldern Militär und Technik. Yalcin zeigte seltene Selbstdarstellungen und Zeugnisse der „Teutschen“.

 

Werbung für die Partnerschaft

Unser Präsident konnte im Februar mit dem Bildervortrag „Last und Lust der Partnerschaft“

vierzehn Jahre unserer Aktivitäten – die erste Reise nach Fatih machten wir im

Jahr 2008 - in zwei Wiesbadener Clubs präsentieren. Zuerst wurde er von Christopher

Easthill, Präsident des Lions Clubs Wiesbaden Mattiacum und Reverend der Anglikanischen

Kirche eingeladen. Dort hatte 2018 der CAL-Mädchenchor aus Fatih einen derart

herzlichen Auftritt, dass wir in der Kirche getanzt haben. In einer Online-Konferenz der

Lions staunte ein gutes Dutzend Teilnehmende über die Vielfalt unserer Aktivitäten. Beflügelt von diesem Beispiel lud ihn auch der junge Rotary Club Wiesbaden Rhein Main ein, dem drei unserer Mitglieder angehören. Der Club nimmt auch Frauen als Mitglieder auf. Im Kurhaus

folgten rund 25 Teilnehmende dem Vortrag. Sie dankten Tilemann mit einem Buch ihres Ehrenmitglieds Muhammad Yunus. Der Club sah den Vortrag als Einstimmung auf seine Reise nach Istanbul und zu den Rotariern in Fatih im Juni und versprach, eng zu kooperieren.

 

 

Deutscher Musiker in der Türkei

Während Carl Zuckmayer mit einem grandiosen Plädoyer für Migranten in Deutschland bekannt wurde, gelangte sein Bruder Eduard Zuckmayer in der Türkei zu Ruhm. Wegen

jüdischer Vorfahren erhielt Eduard hier Berufsverbot und folgte 1936 der Einladung Atatürks in die junge türkische Republik. Eduard Zuckmayer baute die akademische Ausbildung für Musiklehrer auf, betreute rund 800 von ihnen und wurde fast jedem Musiklehrer in der Türkei ein Begriff. Zu seinem 50.Todestag zeigten wir mit dem Yunus Emre Institut in Köln den Film von Barbara Trottnow über sein Leben. Dazu berichtet unser Mitglied Jockel: „Meine Eltern Hans und Francine Kroecker haben erzählt, sie waren zusammen in Anatolien interniert und Zuckmayer soll mich auf seinem Schoß geschaukelt haben – aber da war ich noch ein kleiner Wurm.“ Vater Hans Kroecker arbeitete damals an der Deutschen Botschaft und Mutter Francine unterrichtete Französisch an der Uni in Ankara. Als auch die Türkei im Februar 1945 Deutschland den Krieg erklärte, wurden Deutsche Bürger in der Türkei für drei Monate interniert. Jockel lebte sieben Jahre in Kirsehir und besuchte dort die türkische Schule.

 

Kurz notiert in Wiesbaden

 

Wie türkisch ist Wiesbaden?

Der Anteil türkeistämmiger Wiesbadener Bürger stagniert zurzeit. Im Jahr 2021 hatten rund 16.000 von 291.000 Einwohnern einen türkischen Hintergrund, davon etwa 9.000 mit türki-

scher und 7.000 mit deutscher Nationalität. Interessant ist der Umgang mit der türkischen

Sprache: Die Website der städtischen Mediathek bietet selbst unter 11 Sprachen kein Tür-kisch an, während die Website der Stadt schon lange türkisch spricht. Übrigens wollen heute 76 Prozent der jungen Türken im Ausland studieren oder arbeiten. Ihre Einschreibungen an deutschen Hochschulen steigen laut DAAD seit 2018 jedes Jahr um mehr als 10%.

 

Ampeln für die zivile Türkei wieder auf grün

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung macht Hoffnung mit den Worten „Wir wer-den die EU-Türkei-Dialogagenda mit Leben füllen und den Austausch mit der Zivilgesell-schaft und Jugendaustauschprogramme ausbauen“. Die Türkei ist bereits den Neuauflagen von EU-Programmen beigetreten. Für den Zeitraum 2021 bis 2027 nimmt das Land an dem Bildungsprogramm Erasmus+, dem Europäischen Solidaritätskorps und dem Forschungspro-gramm Horizon Europe teil. Experten sagen, Erdogan wolle „sein gestörtes Verhältnis zu Europa reparieren“ (WK 22.3.22).

In Wiesbaden hält die Zeitung Kurier Susanne Güstens regelmäßige Berichte aus Istanbul für eine „Bereicherung“. Der Presseclub Wiesbaden sucht „auf jeden Fall den Kontakt zu türkischen Journalisten“ und stellt sein Sommerfest 2022 unter das Motto Türkei. Und der Bürgermeister von Fatih, Ergün Turan, will uns nach langem Schweigen zum 10-jährigen Jubiläum im September besuchen.

 

Kurz notiert in  Istanbul

 

Topkapi-Palast in Fatih restauriert

400 Jahre war er Sitz der osmanischen Dynastie. In den 1940er Jahren hatte man den Hauptbau gegen Erdbeben unprofessionell mit 1.500 Tonnen Beton verstärkt. Das führte zu Senkungen des Bodens. Der Beton wurde nun entfernt und durch leichtere Stahl-träger mit Holzaufbau ersetzt. Das Museum will Ende 2022 seine Schätze wieder zeigen.

 

Spende für bedürftige Künstlerin

Der Hilferuf der Künstlerin Nilhan Sesalan aus Fatih an ihre Freunde in Wiesbaden wurde erhört. Die Teil-nehmerin an unserer letzten Istanbulreise, Heidrun Feine, ließ eine Geldspende von 1000 Euro an Nilhan überweisen, die sich herzlich bedankte. Wir schließen uns dem Dank an.

 

Neuer Direktor am CAL-Gymnasium

Der uns gewogene Direktor Mehmet Aybek wurde überraschend ersetzt. Sein Nachfolger schreibt: „Liebe CAL-Familie, ich habe meinen Dienst am 25.02.2022 angetreten. Ich freue

mich, in dieser etablierten Institution zu arbeiten, die seit 1850 der Bildung dient. Während meiner Tätigkeit .. werde ich mich um die Zusammenarbeit aller Menschen kümmern, die mit Hingabe arbeiten, und ich möchte, dass unsere Schule erfolgreich bleibt. Ich möchte auch meinem Vorgänger für seine Arbeit am CAL danken. Mit besten Grüßen, Cafer Koçyiğit."

Auf unsere Einladung nimmt er im Juni auch am Besuch in Wiesbaden teil.

 

Literaturtipp

 

Elif Shafak: Der Bastard von Istanbul

Verbindungen zwischen einer türkischen Familie in Istanbul und einer armenischen in den USA. Verlag Kein & Aber, Zürich 2015

 

Orhan Pamuk: Die rothaarige Frau

Eine klassische Geschichte von Liebe und Verrat in einem Land immer noch zwischen Tradition und Moderne. 288 Seiten, C. Hanser Verlag, München 2017

 

 

Fatihs Bürgermeister Ergün Turan, Ibrahim Kızılgöz und Saniye Sander (v.l.)

Ibrahim Kızılgöz ,

Mahmut Eksi (v.l.)

Loti in der Academie Francaise

Präsident mit vier Rotariern

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